„Fiese Hetze auf bunten Bildchen“
Wir veröffentlichen diesen Artikel mit freundlicher Genehmigung von Carola Wagner
Hertener Allgemeine | 05.03.2020 | von Carola Wagner
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Markus Landwehr macht sich mit einer Mitstreiterin vom Bündnis „Herten ist bunt“ im strömenden Regen auf den Weg. Im Umfeld der Süder Grundschule In der Feige wurden wieder Aufkleber mit hetzerischen Sprüchen gesichtet. Ein Stück die Heinrich-Lersch-Straße runter, schon wird das Duo fündig. „Die Indianer konnten die Einwanderung nicht stoppen. Heute leben sie in Reservaten“, steht auf dem ersten Sticker. Offenbar soll der Spruch bei deutschen Bürgern Ängste vor Einwanderung schüren.
Das Bündnis „Herten ist bunt“ tritt für ein friedliches Miteinander aller Kulturen in der Stadt ein, verteidigt demokratische Werte und einen respektvollen Umgangston. Besorgte Bürger haben die Aktiven auf die Bildchen aufmerksam gemacht, die vielerorts in Herten-Süd geklebt wurden – entlang der Nimrodstraße über die Jägerstraße bis hin zum Butenkamp. „Und der ganze Katzenbusch ist voll davon“, berichtet Dennis Hölker (44), einer der Bündnis-Initiatoren. Auch er war unterwegs, um die Hass-Botschaften, die in an Laternen und auf Mülleimern prangen, zu entfernen. Dabei wurden Hölker und seine Begleitung von einem Passanten angegangen, der Sprüchen wie „Festung Europa – Grenzen dicht“ oder „Schächtverbot ist Tierschutz“ offenbar einiges abgewinnen kann. Dennis Hölker empfiehlt Leuten, die Bildchen abreißen wollen: „Macht so eine Aktion bitte nicht allein!“
Die aktuelle Stickerflut im Süden der Stadt ist bei der Stadtverwaltung bis zur Anfrage unserer Zeitung nicht bekannt gewesen. Mitarbeiter des Zentralen Betriebshofs (ZBH) seien instruiert, auf Bilder oder Schmierereien zu achten, erklärt Stadtsprecherin Anika Meierhenrich. Sie bittet die Bürger, Missstände zu melden. „Handelt es sich um rechte Inhalte, werden wir sofort aktiv!“
Wer klebt oder schmiert, macht sich strafbar
Die Sprecherin weist auf einen Umstand hin, der vielen gar nicht klar ist: „Sticker, gleich welchen Inhalts, auf Mülleimer, Laternen etc. zu kleben, ist verboten. Auch wenn es nur ein Schalke-Bildchen ist, handelt es sich um Sachbeschädigung.“
Hass und Hetze sind Fälle für den Staatsschutz. Unsere Zeitung hat Fotografien von den diversen Motiven an die Polizei geschickt. Es wurde Strafanzeige erstattet, nun prüfen Staatsanwaltschaft und Staatsschutz, ob es sich um eine Straftat handelt. „Die Tendenz der Aufkleber ist klar“, sagt Polizeisprecher Andreas Wilming-Weber. Manche seien inhaltlich auf jeden Fall grenzwertig, einige möglicherweise nicht in Einklang mit Recht und Gesetz.
Der Polizeisprecher fordert die Bürger auf, nicht zu ignorieren, wenn sie jemanden bei der Verbreitung verbotener Inhalte beobachten. Ansprechpartner ist dann die Polizei (0800/2361111). „Personenbeschreibungen und Kfz-Kennzeichen helfen uns bei der Ermittlung der Täter“, sagt Wilming-Weber.
Zurück zur Heinrich-Lersch-Straße. Der Indianer Aufkleber ist ungefähr auf Augenhöhe eines Kindes an einem Laternenpfahl angebracht. In gleicher Höhe klebt am nächsten Mast ein Bild von Klimaaktivistin Greta Thunberg mit Hitler-Bärtchen auf dem steht: „Gebt Faschismus keine Chance – ob Rot, Grün oder Braun, Faschismus kennt keine Farbe“. „Das ist das perfide – so lesen die Schulkinder, die hier lang gehen, die Sprüche und verinnerlichen die Inhalte“, sagt Markus Landwehr und knibbelt an den Stickern.
Der 43-Jährige ist Realschullehrer und macht sich viele Gedanken um den Einfluss, den rechte Parolen auf junge Menschen haben. „In der Schule sprechen wir mit den Kindern über so was. Man kann nur hoffen, dass die Eltern das auch tun.“ Er engagiert sich in dem noch jungen Bündnis „Herten ist bunt“, um rechten Strömungen die Stirn zu bieten, damit Hass und Gewalt nicht das gesellschaftliche Klima vergiften.
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Bitte meldet es uns unter info@buendnis-herten.de , wenn ihr derart Aufkleber entdeckt. Danke!
Wichtig: Entfernt die Aufkleber nicht, wenn ihr allein unterwegs seid. Es gibt Menschen, die finden den Inhalt offensichtlich völlig in Ordnung und mögen es nicht, wenn ihr tätig werdet.
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Anhang zum Artikel
Nachgefragt … bei Moritz Bielsky
Was motiviert Menschen, sich gegen das Erstarken nationalistischer Strömungen zu engagieren? Wir haben Moritz Bielsky (31) gefragt. Der Hertener beschreibt sich selbst als: „Antifaschist, Nationalität: Mensch“. Er sagt:
„Ich bin in Herten aufgewachsen. Hier fühle ich mich wohl. Doch auf diese Art der ,Dekoration‘ in der Öffentlichkeit kann ich gern verzichten. Fällt mir solch ein abscheulicher Aufkleber auf, knibbel ich ihn selbstverständlich ab. Doch das ist noch der leichteste Teil der Arbeit.
Durch das Erstarken der Nationalisten weltweit und auch in Deutschland, wittern Faschos aller Ebenen wieder den ,Duft‘ des Umsturzes der freiheitlich demokratischen Grundordnung.
Rechtsradikale Gewaltverbrechen nehmen stetig an Zahl sowie Brutalität zu, und auch vor kaltblütigen Morden wird nicht zurückgeschreckt.
Wenn die Freiheit und Unversehrtheit von Menschen durch die Intoleranz einiger Weniger angegriffen wird, ist es notwendig, klare Grenzen zu setzen, um den Frieden zu erhalten und Unschuldige vor Schaden zu bewahren.
Ich, als Teil unserer Gesellschaft, stelle mich diesen Kräften aktiv in den Weg und engagiere mich täglich für ein friedliches und konstruktives Miteinander. Sei es in Form von Beteiligung an Bündnissen, Demonstrationen, in Parteien oder direkt im alltäglichen Leben der Gesellschaft oder Familie.
Die Bewohner unseres Planeten stehen vor verschiedensten Herausforderung, die sich nur lösen lassen, indem die Menschen miteinander und füreinander leben. Hass und Hetze halten da nur auf und bringen Leid.“
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